Meerschweinchen werden oft als langweilige, faule Haustiere beschrieben, mit denen man überhaupt nichts anfangen kann. Häufig tragen die Schweinchen selbst sehr erfolgreich dazu bei, dieses Bild aufrecht zu erhalten.
Manche Meerschweinchen haben einfach gar keine Chance, aktiv und interessant zu werden, weil sie keinen Platz, keinen Artgenossen oder keine Anregung haben. Doch auch Meerschweinchen, die genügend Platz und Artgenossen haben, zeigen sich manchmal völlig desinteressiert, wenn man ihnen ein neues Spiel, etwas Tolles zum Erkunden oder anderweitige Beschäftigung zeigen möchte. Als erfahrener Meerschweinchenhalter kennt man die Launen der kleinen Herrschaften gut genug und weiß, dass vielleicht gerade nicht der richtige Zeitpunkt ist und die Fellbirnen aktuell lieber im Heu liegend verdauen, als eine mit viel Mühe aufgebaute Spielwiese zu begutachten. Meerschweinchen machen nur das, wozu sie gerade Lust haben und lassen sich zu nichts drängen. Allerdings kann man ihre Neugier wecken und auch faule Schweinchen zu ein bisschen Aktivität bewegen, wenn man selbst gerade mit ihnen spielen möchte.
Rufen / Klopfen
Wird das tägliche Gemüsemahl stets mit einem speziellen Ruf oder Geräusch verbunden (z.B. die Schweinchen beim Namen rufen oder auf den Gehegeboden klopfen), so verbinden sie dieses Geräusch sehr bald mit Nahrungszufuhr. Da Nahrung für Meerschweinchen DER Lebensinhalt ist, lassen sie sich mit der Aussicht auf Futter in fast allen Lebenslagen aktivieren. Lockt man sie allerdings mit den typischen Futtergeräuschen zu einer Spielwiese, die keinerlei Futter enthält, ziehen die Schweinchen erfahrungsgemäß recht schnell wieder ab. Arglistige Täuschung wird von den kleinen Fellbirnen mit empörter Missachtung bestraft. Majestätsbeleidigung sozusagen.
Heugeruch
Manche Spielzeuge, die im Zoohandel erhältlich sind (beispielsweise der Snackball), werden von Meerschweinchen gemieden wie das Weihwasser vom Teufel. Mit großem Abstand laufen die Schweinchen um das neue Spielzeug herum und passen auf, ihm bloß nicht zu nahe zu kommen. In einigen Fällen ist dies wohl auf einen unangenehmen Geruch zurückzuführen, der in den meisten Zooläden herrscht. Der Geruch von Hundekeksen und Katzenfutter scheint für Meerschweinchen nicht nur wenig attraktiv, sondern geradezu abstoßend zu sein.
Legt man neue Spielzeuge jedoch für wenige Tage in eine Kiste mit Heu, wird der unangenehme Geruch überdeckt und die Schweinchen freunden sich wesentlich schneller damit an und kommen sogar neugierig angelaufen und erkunden, wo der köstliche Heugeruch herkommt.
Auch neue Häuschen, Kisten, Hängmatten, Kuschelrollen und ähnliches werden gleich viel ausgiebiger erkundet, wenn ein vertrauter Heugeruch aus dem Inneren strömt.
Knistern und herumwühlen – beschäftigt tun
Doch diese Ignoranz lässt sich manchmal austricksen, wenn man sich nicht mehr offensichtlich um die Aufmerksamkeit der Schweinchen bemüht, sondern so tut, als sei man auch ohne sie gerade ganz beschäftigt. Am besten beschäftigt man sich mit Dingen, die den Schweinchen sonst eigen sind: Man stochert mit dem Zeigefinger im Einstreu herum, wühlt ein kleines bisschen und schaut sich die Einstreuflocken ganz genau an.
Oder man zupft ein bisschen am Heu, begutachtet jeden Halm, zupft einen heraus, legt ihn nach eingängiger Begutachtung doch wieder zurück und nimmt einen anderen. Man kratzt hochgradig konzentriert an einer Korkröhre und betrachtet die Stelle interessiert und innig… Es wird nicht lange dauern, bis die Schweinchen neugierig werden und sofort herausfinden müssen, was man da Spannendes im Einstreu, im Heu oder sonst wo gefunden hat. Genau den Halm, den man gerade aus dem Heuhaufen geangelt hat, müssen sie haben und genau dort, man im Einstreu stochert, müssen sie selbst gerade ganz dringend wühlen. Scheinbar geht ihre Ignoranz dann doch nicht so weit, dass sie es riskieren würden, irgendetwas Interessantes zu verpassen.
Dinge schwer erreichbar machen
Bettelnde Schweine verlieren oft erstaunlich schnell das Interesse am Futter, das sie gerade noch so eindringlich herbei geschrieen haben. Scheinbar betteln sie oft aus Langeweile nach Futter. Die Erfahrung, dass sie sofort nach dem Betteln fressen können, langweilt sie so schnell wieder, dass sie sich träge ins Einstreu werfen.
Interessanter wird Futter dagegen, wenn es nicht so leicht erreichbar ist, sondern erarbeitet werden muss. Kräuterkrümel werden viel leckerer, wenn sie aus den Rillen und Vertiefungen einer Korkröhre herausgefummelt werden müssen. Salat und Gurkenstückchen schmecken mindestens doppelt so gut, wenn sie gerade noch für die Schweinenase erreichbar irgendwo befestigt sind. So kann man beispielsweise Fenchelstreifen in die Zwischenräume eines Weidentunnels stecken, Salat und Gurkenstückchen auf Zweige aufspießen, Dill und Möhrengrün zwischen die Halme eines Heuhäuschens stecken und duftendes Gemüse auf Häuserdächern verstecken. Befestigtes Futter, das man mit etwas Mühe abreißen muss, schmeckt ohnehin viel besser.
Auch Veganer haben offenbar ein Erfolgserlebnis, wenn sie mit einem Ruck einer Möhre ein Stückchen aus dem Leib herausbeißen, wie der Löwe aus einer Antilope. Äste, die vorher unbeachtet auf dem Gehegeboden herumgelegen haben, werden plötzlich interessanter, wenn sie in einen Tunnel hineingesteckt sind und hoch in die Luft ragen. Ein Sonnenblumenkern, der nach langer Suche unter einer Schicht Holzflocken entdeckt wird, schmeckt wesentlich besser, als langweilige Kerne in einem Futternapf.
Auch wenn Meerschweinchen ständig lautstark Futter einfordern, wollen sie scheinbar nicht alles geschenkt bekommen. Auch für Meerschweinchen gilt: Arbeit macht glücklich.
Abwechslung / Veränderung
Auch wenn Meerschweinchen grundsätzlich Gewohnheitstiere sind, die unbedingt ihre zuverlässigen Rückzugsorte brauchen und sich in einer bekannten Umgebung am sichersten fühlen, bringt eine gelegentliche Abwechslung doch etwas Spannung in den Alltag. Träge dahinvegetierende Meerschweinchen kommen meist interessiert angelaufen, wenn Tunnel etwas verschoben und neu angeordnet werden. Ausgiebig wird die neue Anordnung erkundet, bebrommselt und ausprobiert. Das Drunterdurchlaufen von neu angeordneten Tunneln wirkt beinahe etwas zwanghaft.
Auch andere Dinge, die einfach mal ein bisschen anders sind als sonst, verschaffen den Schweinchen ein bisschen Abwechslung und animieren sie zum Schnuppern und Erkunden. Ein Heunetz an einer anderen Stelle als gewohnt, wird erfahrungsgemäß viel lieber leergeschmatzt als die bekannten Heustellen. Wird mal ein kleines Schälchen mit Heu gefüllt und ins Schweinegehege gestellt, schart sich auf einmal die ganze Schweinetruppe um diese winzige Heustelle.
Ein neues Kuschelteil, das nur gelegentlich im Gehege zur Verfügung steht, wird besonders heiß begehrt und niemals langweilig.
Wer seinen Schweinchen also nur einen immer gleichen Alltagstrott anbietet, darf sich nicht wundern, dass sie gelangweilt in der Ecke herumlungern. Regelmäßige kleine Veränderungen halten die Schweinemurmel dagegen fit und aktiv.
Höhlig machen
Meerschweinchen, die in freier Wildbahn in natürlichen Höhlen und Felsspalten wohnen, fühlen sich grundsätzlich von höhligen Umgebungen angezogen. Gehegeecken, die sonst langweilig sind oder sogar gemieden werden, wandeln sich plötzlich zu Lieblingsplätzen, wenn sie schummerig dunkel sind, enge Eingänge haben oder irgendeine Art von Dach vorhanden ist. Legt man ein paar Zweige über einen Tunnel und deckt diese Konstruktion mit Gras oder Blättern ab, werden Meerschweinchen darunter sitzen, bis das Dach komplett weggeschmatzt ist. Unattraktive Häuschen werden auf einmal urgemütlich, wenn ein Waschlappen den Eingang zu zwei Drittel zuhängt und man nur noch mit viel Gewurschtel und Gemuige hinein und hinaus kommt. Häuschen mit niedrigen Eingängen, die an eine Felsspalte erinnern, werden trotz des notwenigen Hineinquetschens lieber besucht als großzügige Häuser mit großen Torbogen.
Auch wenn Meerschweinchen insgesamt viel Platz und Bewegungsspielraum zum Wohlfühlen brauchen, ziehen sie sich sehr gerne in schummerige, spaltige Unterkünfte zurück und erkunden diese mit großem Schweineeifer.
Fazit
Meerschweinchen können interessant, lustig und spannend sein – wenn man ihnen Gelegenheit dazu bietet. Dafür muss allerdings der Schweinehalter selbst ein bisschen aktiv werden und seinen Grips anstrengen. Doch die Mühe lohnt sich – für beide Seiten.
Na? Neugierig geworden? Hoffentlich sind Sie nicht neophob!
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